In einem Märchen ist alles möglich

Titel: dreaming in the morning sun

Titel: dreaming in the morning sun

Ein Mann steht deutlich sächselnd im Zug und berichtet mit flammenden Worten aus dem fernen Saudi Arabien. Dem Land der harten Strafen und der willkürlichen Staatsgewalt. Dem Land in dem Ehebrecherinnen an Baukränen baumeln.

Wie er so palavert, denke ich an den berühmten Karl May und seine Winnetou-Romane. Auch Karl schrieb auf diese Weise von den trockenen Steppen jenseits der Rocky Mountains, wo edle Indianer mit schweißig-muskulösen Körpern leben. Er, der auch Sachse war, beschrieb seinen Lesern die Büffelherden, die mit ihren Hufen den Wilden Westen zittern ließen und stieß damit auf offene Ohren. Denn das dort war, was hier nicht ist, dass die Dinge unvertraut anders liefen, das regte die Fantasie. Man fragte sich, was dort wohl noch alles möglich sei, blieb gespannt und glaubte jedes Wort. In einer guten Geschichte ist alles möglich.

Doch Karl May hatte den Wilden Westen nie gesehen als er seine Bücher schrieb. Er hatte nur eine bunte Fantasie. Ebenso war der Mann, der da das Zugabteil über die Prügelstrafen der Saudis aufklärte. Ein Mann, der die Augen weit aufriss, wenn er von Enthauptungen sprach und dem man ansah, dass er dieses Land nicht besuchen wollte. Ein Mann, der mittlerweile alles für möglich hielt und diesen Fremden zuschrieb, was immer er sich ausdenken konnte. Denn Saudi Arabien war für ihn zum Märchenland geworden. Und in einem Märchen ist alles möglich.

 

Bildquelle: © Florian Kiel

Gedanken einer ehemaligen Waldorfschülerin

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